Veranstaltungsort
Unter den Linden 2, 10117 Berlin
DEUTSCHER KOLONIALISMUS. Fragmente seiner Geschichte und Gegenwart
Erstmals präsentiert das Deutsche Historische Museum vom 14. Oktober 2016 bis 14. Mai 2017 in einer großen Ausstellung mit mehr als 500 Exponaten Aspekte des deutschen Kolonialismus und nähert sich einem Thema an, das zunehmend in die öffentliche Aufmerksamkeit rückt.
Obwohl das Deutsche Reich von 1884 bis zum Ende des Ersten Weltkriegs 1918 eine der großen europäischen Kolonialmächte war, zieht die koloniale Vergangenheit in Deutschland erst seit wenigen Jahren verstärkt ins öffentliche Bewusstsein ein. Nicht zuletzt die aktuellen Debatten über die Anerkennung des Völkermords an den Herero und Nama tragen dazu bei. Die Ausstellung des Deutschen Historischen Museums legt die koloniale Ideologie offen, die von einem europäischen Überlegenheitsdenken geprägt war. So steht die Schlussakte der Berliner Afrika-Konferenz vom 26. Februar 1885 daher gleich zu Beginn der Ausstellung und verortet den deutschen Kolonialismus in einen europäischen Gesamtzusammenhang. Die Teilnehmer aus 14 Nationen handelten zwar keine Verträge zur Aufteilung Afrikas aus oder unternahmen direkte Grenzziehungen, aber ihre Zusammenkunft unter Ausschluss afrikanischer Vertreter gilt als imperiale Anmaßung und als ein zentraler Erinnerungsort deutscher wie europäischer Kolonialgeschichte.
Die Ausstellung zeigt die vielfältigen Herrschaftsbeziehungen, die von lokal geprägten Allianzen über Ausübung alltäglicher Gewalt bis hin zum Kolonialkrieg in Namibia und zum Genozid reichten. So setzten die Militärs auch in Friedenszeiten das Maxim-Maschinengewehr gezielt zur Herrschaftsinszenierung ein, um die Kolonisierten von der Überlegenheit der Europäer zu überzeugen: Die Zerstörung ganzer Baumgruppen in kürzester Zeit sollten Respekt und Furcht schüren und nachhaltig Eindruck hinterlassen.
Ebenso vielschichtig waren die kolonialen Begegnungen, die sich auch im Wechselspiel zwischen Kolonien und Kaiserreich entfalteten. In ihnen verfolgten afrikanische, ozeanische und deutsche Akteure ihre jeweiligen Ziele und loteten ihre Handlungsspielräume aus. Die Ausstellung beleuchtet die Motive der Missionare, Beamten, Militärs, Siedler oder Kaufleute auf deutscher Seite ebenso wie die Interessen der Kolonisierten. Sie geht der Frage nach, inwieweit die Perspektiven der Kolonisierten in der historischen Überlieferung berücksichtigt sind und inwiefern dies im Widerspruch steht zum schieren Umfang von Sammlungen und Archiven, die in der Kolonialzeit entstanden sind und die die Machtverhältnisse stützten. In exemplarischen Studien etwa zu den Forschungen Robert Kochs, zur Etablierung neuer Wirtschaftsformen im Baumwollanbau oder der Diskussion um Verbote sogenannter Mischehen wird das Handlungsspektrum lokaler Akteure und deren bisweilen divergierenden Interessen in der Ausstellung beleuchtet.
Das ausgeprägte koloniale Bewusstsein hielt auch nach 1919 an, obwohl Deutschland in Folge der Niederlage im Ersten Weltkrieg mit dem Versailler Vertrag die Kolonien aberkannt worden waren. Dieser kontroversen Erinnerung an die koloniale Vergangenheit gibt die Ausstellung Raum, während künstlerische und zivilgesellschaftliche Perspektiven Einblicke in die Gegenwart des deutschen Kolonialismus in den betroffenen Ländern und in Deutschland eröffnen.
Die Ausstellung bietet neben Texten in deutscher und englischer Sprache die Hauptinformationen auch in Braille, in Leichter Sprache sowie als Gebärdenvideo an. „Inklusive Kommunikations-Stationen“ laden zu einem partizipativen Einstieg in jeden Themenbereich ein.