Veranstaltungsort
Bodestraße, 10178 Berlin
Wie sind islamische Kulturen, wie ist die islamische Kunst entstanden? Wo sind ihre Quellen? Ähnlich wie der Islam als Religion baut auch die islamische Kunst auf den Vorgängerkulturen des Nahen Ostens auf. Die im Rahmen der Forschergruppe „Fragments, Ruins and Space: the Perception and Representation of Ancient Spaces in Modern Contexts“ des Exzellenzclusters Topoi der Freien Universität Berlin und der Humboldt-Universität zu Berlin gemeinsam mit dem Museum für Islamische Kunst der Staatlichen Museen zu Berlin konzipierte Ausstellung widmet sich dem persischen Erbe im Islam anhand von Ktesiphon, einer gigantischen Ruinenlandschaft südlich von Bagdad.
Überragt von der monumentalen Bogenhalle des Königspalasts Taqe Kesra ist Ktesiphon bis heute ein Sinnbild von Größe und Niedergang des mächtigen Sasaniden-Reiches, einer uns wenig bekannten Großmacht im alten Persien. Dieses konkurrierte über Jahrhunderte mit Rom und Byzanz. Mit den Eroberungszügen der arabischen Heere veränderten sich im 7. Jh. n. Chr. die politischen Machtverhältnisse grundlegend. Und auch kulturell vollzog sich ein Wandel – es entstand „die islamische Kunst“. War nun aber alles anders? Die Ausstellung zeigt, dass die bestehende Kultur nicht „einfach zu Ende ging“ und die neue Kultur aus dem Nichts entstand. Ausgehend von einem Panorama der Welt um 600 n. Chr. führt sie in eine multikulturelle Kulturlandschaft ein und illustriert das Fortleben von Techniken, Ideen und Motiven. Vieles wurde übernommen, diente als Vorbild für Neues – anderes verschwand im Dunkel der Geschichte.
„Das Erbe der Alten Könige. Ktesiphon und die persischen Quellen islamischer Kunst“ lädt auch dazu ein, sich mit ganz praktischen Problemen der Forschung über die Vergangenheit zu beschäftigen: Wie lässt sich kultureller Wandel an archäologischen Objekten ablesen? Wo liegen die Schwierigkeiten der Archäologen bei der Rekonstruktion? Drei Jahre haben sich Forscher verschiedener Disziplinen im Rahmen der Topoi For- schergruppe „Fragments, Ruins and Space: the Perception and Representation of Ancient Spaces in Modern Contexts“ mit den deutschen Grabungen in Ktesiphon in den Jahren 1928/29 sowie 1931/32 beschäftigt. Dabei ging es um die grundsätzliche Erschließung des Materials aus der Perspektive der archäologischen Forschung, Restaurierung und Konservierung. Wie wurden die Fragmente zu Exponaten zusammengefügt? Wie ging man damals mit Fehlstellen um, wie heute? Ein Schwerpunkt der Ausstellung beschäftigt sich mit der Erarbeitung von Visualisierungen und der Vermittlung archäologischer Fragestellungen aus der Wissenschaft an ein allgemeines Publikum.
Die 90 Objekte vor der Mschatta-Fassade sowie zahlreiche Grabungsfotos verdeutlichen eindrucksvoll den kulturellen Wandel von der letzten iranischen Herrscherdynastie des Altertums in die frühislamische Zeit. Einige von ihnen kommen direkt aus dem legendären Königspalast oder seiner nahen Umgebung. Ein Highlight ist der königliche Gesandte aus London: die spektakuläre sasanidische Königsbüste aus Bronze als Leihgabe der Sarikhani Collection. Er gehört zu den Gesichtern aus der Vergangenheit, die uns zu Beginn der Ausstellung begrüßen – Leihgaben des Vorderasiatischen Museums und des Ägyptischen Museums. Die weiteren Artefakte kommen aus den Beständen des Museums für Islamische Kunst: kostbare Silberschalen, feine Glasobjekte, „Zauberschalen“ und Gegenstände des täglichen Gebrauchs. Von besonderer Bedeutung sind auch die eindrucksvollen Großplastiken aus Stuck, Bauschmuck oder Bogenelemente von Wohnhallen, den sogenannten Iwanen – ein grundlegender Baustein nahöstlicher Architekturtraditionen. Welches Erbe hinterließen die alten Könige in Islamischer Zeit – in Kunst, Architektur, Dichtung und im kollektiven Gedächtnis? Hier wird es sichtbar und erlebbar.
Die Ausstellung verfolgt einen partizipativen Ansatz: 17 Berlinerinnen und Berliner haben mit dem Museumsteam über mehrere Monate hinweg diskutiert und ihre Fragen und ihr Wissen zu den Objekten und Ktesiphon eingebracht. Ergebnisse flossen in die Texte und Mitmachstationen ein, um die Besucher dort abzuholen, wo sie sind. Schließlich lädt eine Selfie-Station dazu ein, Grüße aus Ktesiphon zu verschicken – damit das Mo- nument nicht in Vergessenheit gerät.
Die Ausstellung ermögliche so nicht nur einen Blick auf die historische Kulturlandschaft und die Geschichte ihrer Erforschung, so Dr. Stefan Weber, Direktor des Museums für Islamische Kunst und Mitglied des Exzellenzclusters Topoi, sondern zeige auch die aktuelle Relevanz von Ktesiphon: als geteiltes Kulturerbe zwischen Irak und Iran, als bedrohtes Kulturgut und als Zeugnis der Entstehung islamischer Kultur. „Die Objekte berühren konkrete Gegenwartsfragen. Woher kommt die islamische Kultur? Eine Antwort wird hier deutlich: Sie wurzelt in dem Nährboden spätantiker Entwicklungen vom Mittelmeer bis in den Iran – Wurzeln, die auch die unseren sind.“
Topoi ist ein Kooperationsprojekt der Freien Universität Berlin und der Humboldt-Universität zu Berlin mit der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, dem Deutschen Archäologischen Institut, dem Max-Planck-Institut für Wissenschaftsgeschichte und der Stiftung Preußischer Kulturbesitz.
Weitere Kooperationspartner des Ausstellungsprojekts sind das DAI, die HTW Berlin, die BTU Cottbus-Senftenberg, das Institut für Museumsforschung und die Staatsbibliothek zu Berlin. Mit freundlicher Unterstützung von Topoi, The Sarikhani Collection London und der Freunde des Museums für Islamische Kunst.